Treffen der Freien Friesen am Pfingstdienstag 2023
Rede des Kommissars des Königs der Provinz Fryslân, drs. A-A. M.Brok, Upstalsboom-Gedenkfeier Aurich 2023
Wie gut einander zu begegnen hier im schönen Ost-Friesland.
Aller guten Dinge sind drei: in den vergangenen zwei Jahren wollte ich hier auch stehen, doch Corona machte dies leider unmöglich. Herzlichen Dank, dass Sie mich unermüdlich weiter eingeladen haben. Endlich ist es so weit, und bin ich da. Es freut mich wirklich sehr.
Wir haben uns hier versammelt, um dem siebenhundertjährigen Jubiläum der Upstalsboomgesetze zu gedenken mit der kulturellen Zusammenarbeit der friesischen Länder als Thema. Delegierte der friesischen Länder versammelten sich an diesem Ort, um gesellschaftliche und juristische Themen miteinander zu diskutieren. Mit vereinten Kräften stand man wesentlich stärker da.
Dies ist auch der Grund, warum die sieben Küstenländer sich regelmäßig versammelten: es galt den Frieden zu bewahren und die Kräfte zu bündeln im Blick auf äußere Bedrohungen der damaligen Zeit. In der heutigen Zeit kennen wir hier in den friesischen Regionen nicht mehr die Art Bedrohungen von damals.
Warum ist es dennoch eine gute Sache, dass wir uns heute wieder versammeln? Äußere Einflüsse gibt es zu allen Zeiten. Oft sind diese positiv im Blick auf neue Entwicklungen, manchmal aber auch kritisch. So leiden unsere Sprachen unter dem Druck der Mehrheitssprachen. Es ist demnach nicht verwunderlich und sogar sehr wichtig, dass eines der heutigen Themen die kulturelle Zusammenarbeit zwischen den friesischen Regionen ist. So sprechen wir doch alle Friesisch, die Sprache unseres Herzens.
Miteinander verfolgen wir das gleiche Ziel: nämlich, dass unsere Sprachen gesund und stark bleiben. Darum ist für alle drei Sprachen der europäische Charta anerkannt, worin Handlungsweisen zum Schutz regionaler Sprachen beschrieben werden. Die UNESCO hat neun notwendige Faktoren für die Vitalität einer Sprache festgelegt. Demnach ist die Attitüde der Sprechenden und der öffentlichen Behörden im Blick auf die Sprache wichtig. Genau wie die Sprachübertragung älterer Menschen auf Kinder und der Umgang mit neuen Einflüssen wie Social Media.
Es ist darum wichtig, dass wir uns gemeinsam einsetzen für Lebendigkeit der Sprache. Dabei können wir viel voneinander lernen. In Fryslân, hier in den Niederlanden, befinden wir uns momentan in einer interessanten Phase: wir arbeiten an einem neuen politischen Vertrag Fryske Taal en Kultuer (BFTK. ) zwischen der Provinz und der niederländischen Regierung. Dieser Vertrag wird eine Ausarbeitung der von der niederländischen Regierung bekräftigten Maßnahmen der europäischen Charta.
Mit diesem Vertrag (BFTK), setzt man auf Vitalität des "Westerlauwersk Frysk". Die Ausarbeitung des BFTK ist ein Denkprozess im Blick auf Sprachübertragung und wie das Friesische vom Kindergarten bis zur Doktorarbeit gesichert werden kann. Mit anderen Worten: wir setzen uns für eine nachhaltig starke friesische Sprache ein. Neben dem BFTK gibt es auch den Sichtbarkeitsvertrag, womit, wie das Wort schon sagt, wir auf die Sichtbarkeit des Friesischen in der Öffentlichkeit und den Medien setzen. Ziel ist die genauso selbstverständliche Anwesenheit des Friesischs wie des Niederländischs.
Das sind für uns und herausfordernde und komplexe Prozesse. Aber nicht nur für uns. Auch für das Saterfriesisch wird darüber nachgedacht, wie die Sprachübertragung und Sichtbarkeit stimuliert werden können. Das Gleiche gilt auch für das Nordfriesisch.
Wir unternehmen alle vergleichbare Bemühungen. Es wäre doch gar keine schlechte Idee, wenn wir nicht alle das Rad neu zu erfinden brauchten, sondern miteinander herausfänden, wie wir mit diesem Rad weiterkommen. Dass wir Wertschöpfung im internationalen Austausch gleichgesonnener Instanzen bewirken, zeigte sich schon in der Zusammenarbeit rundum der UNESCO City of Literature Ljouwert und der Mitgliedschaft am Network to Promote Linguistic Diversity (NPLD). City of Literature setzt sich für ein blühendes mehrsprachiges literarisches Klima ein und für ein internationales Podium unserer regionalen Schriftsteller. Im Rahmen der City of Literature wurde die Zusammenarbeit mit anderen Cities of Literature gesucht mit gleichem kreativen Fokus, zum Beispiel im Projekt LIT-UP.
In diesem Projekt wurde Kooperation, Wissensaustausch und Professionalisierung stimuliert und wurde ein starkes Netzwerk aufgebaut zur Unterstützung der Literatur in Minderheitssprachen. So konnte miteinander blühende Literatur in Minderheitssprachen entstehen.
Im Bereich der Sprachpolitik und -planung ist die Provinz Fryslän Mitglied der NPLD, deren Ziel mehr Aufmerksamkeit für die Vielfalt an Sprachen in Europa zu fördern und "best-practices", um mal auf ,geef-Frysk' zu sagen, auszutauschen.
All diese Zusammenarbeit zeigt sich erfolgreich, und was die Provinz Fryslân betrifft, wäre kulturelle Zusammenarbeit im Bereich des Friesischen sehr wertvoll für wachsende Sprachausübung und den Schutz des Friesischen. Der Ministerrat der Provinz Fryslân hat sich bereits positiv geäußert über eine potenzielle interfriesische Kooperation. Diese Zusammenarbeit wäre nicht nur interessant im Blick auf sprachliche Themen, sondern auch im Blick auf alles andere, was uns verbindet.
Dies möchten wir auch gerne mit den anderen 59 anderen "Friesländern" in Westeuropa, zum Beispiel den Färöer-lnseln, erreichen. Europa ist mehr als Zusammenarbeit zwischen Nationen, genauso wichtig ist die Zusammenarbeit zwischen Regionen. Begegnungen und Besuche passen genau in diese Auffassung. So könnten wir noch öfter der gemeinsamen gesellschaftlichen Wurzeln gedenken, oder diese feiern, und könnten wir uns austauschen über das Miteinbeziehen der Bevölkerung in unsere Arbeit.
Bitte, lassen sie die Provinz Fryslân wissen, wenn Sie Ideen haben, wie wir beitragen können zu internationaler Verbindung. Das ist auch der Grund, um hier mit Herz, Seele und mit freundschaftlicher Verbundenheit anwesend zu sein.
Mehrsprachigkeit ist eine Bereicherung. Lassen Sie uns gemeinsam diesen Reichtum hüten. Lassen Sie uns miteinander aufmerksam sein und uns gegenseitig inspirieren. Im heutigen Europa als Träger der europäischen Wertvorstellungen und Normen.
Sie sind jederzeit willkommen in Fryslân, in der Provinz, die über die Grenzen hinweg verbindet.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Vortrag von Oebele Vries am Upstalsboom bei Aurich am 30. Mai 2023
Bêste minsken, leve Lüüd,
In Ostfreesland is’t am besten. Daran zweifle ich keinen Moment. Dennoch nehme ich Sie zunächst mit nach Flandern. Warum? Weil es dort im Jahre 1323, also im Jahr, das uns heute beschäftigt, zu einem Volksaufstand gegen den Landesherrn, den Grafen von Flandern, kam, ein Aufstand, der häufig als Bauernaufstand bezeichnet wird. Als Gründe für diese erst nach fünf Jahren unterdrückte Erhebung werden unter anderem genannt: Weigerung der Bauern, dem Grafen die Steuer zu bezahlen, und auch Hass gegen den Adel.
Hätten die flämischen Rebellen von den damaligen Verhältnissen in Friesland gewusst, so hätten sie Friesland aller Wahrscheinlichkeit nach als ein Traumland gesehen. Ein Land – oder besser gesagt eine Vielfalt von sich selbst regierenden sogenannten Landesgemeinden – ein Land ohne Grafen, also ohne Landesherrn, ebenfalls ohne feudalen Adel und, vielleicht das Attraktivste von allem, fast ohne Steuern. Denn das Friesland des frühen 14. Jahrhunderts war das Land der Freiheit schlechthin, das Land der Friesischen Freiheit.
Aber Traumländer gibt es nicht. Auch im freien Friesland, dem mittelalterlichen “land of the free”, herrschten keine idyllischen Zustände. Apropos, “land of the free”, das ist bekanntermaßen ein Zitat aus der Nationalhymne der Verenigten Staaten, das heißt des neuzeitlichen “Landes der Freien”. Keine idyllischen Zustände im freien Friesland also, denn die Friesische Freiheit wurde ständig bedroht, von außen, aber – und das ist für diejenigen unter uns, die die Friesische Freiheit idealisieren möchten, wohl recht peinlich – auch von innen. Von außen durch die benachbarten Landesherren, wie die Grafen von Oldenburg und Holland oder die Bischöfe von Münster und Ütrecht, denen die Herrenlosigkeit der friesischen Länder wie eine verabscheuungswürdige Anomalie vorkam, von innen durch Fehden, die die friesischen Landesgemeinden mehrfach durchzogen und die die Existenzsicherheit der freien Friesen aufs Spiel setzten.
Unter diesen Umständen kam es im Jahre 1323, also dem Jahr des flämischen Bauernaufstandes, nicht zur Gründung, sondern zur Wiederbelebung des altehrwürdigen Upstalsboombundes, nachdem dieser Bund ein Dreivierteljahrhundert eher, also um 1250, jämmerlich zusammengebrochen war.
Was wissen wir eigentlich von diesem älteren, letztendlich gescheiterten Upstalsboombund? Wir wissen, dass es hier am Upstalsboomhügel, während der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts und vielleicht bereits länger, Versammlungen von Richtern, den sogenannten Upstalsboomrichtern, und wohl auch von sonstigen freien Friesen aus den friesischen Seelanden gab. Bekannt ist uns der Text der sogenannten Überküren, der belegt, dass die Zusammenkünfte am Upstalsboom einmal im Jahr stattfanden, und zwar am Pfingstdienstag, und dass dann gemeinsame Rechte festgestellt wurden. Die Überküren belegen weiterhin (zweite Überküre), dass sich die Seelande – ganz wichtig! – zur gegenseitigen Hilfe verpflichtet hatten, und zwar gegen die südlichen Ritter – dass ist wohl eine poetische Bezeichnung für die benachbarten Landesherren mit ihrem feudalen Adelsgefolge – und sogar gegen die schon längst nicht mehr in Friesland wahrgenommenen Wikinger. Laut der dritten Überküre hatten sich die Seelande ebenfalls zur Handhabung von Recht und Ordnung in einem Seeland, wo Anarchie drohte, verbunden.
Was wir nicht mit Sicherheit wissen ist, ob sich sämtliche sieben Seelande an diesem älteren Upstalsboombund beteiligt haben. Die sieben Seelande dehnten sich ja aus vom jetzt nicht mehr existierenden Flüsschen Rekere bei Alkmaar im Westen bis zur Elbe im Osten. Ich werde hier nicht sämtliche Seelande vorstellen, erwähne nur, dass das erste von dem Nordteil der heutigen niederländischen Provinz Nordholland dargestellt wird, und dass irgendwo diesseits der Elbe die fast mythischen Strandfriesen lebten, die – es sei nebenbei bemerkt – lange Zeit unrichtig als Nordfriesen gesehen wurden. Wir gehen jetzt davon aus, dass sich im älteren Upstalsboombund in der Praxis lediglich die Seelande zwischen der Lauwers, also nicht der Rekere, im Westen und der Weser, also nicht der Elbe, im Osten, somit von den Ommelanden bis nach Rüstringen, an diesem älteren Upstalsboombund beteiligt haben.
Und dann jetzt zum Jahre 1323, dem Jahr der Wiederbelebung des Upstalsboombundes. Das erste Seeland, von der Rekere bis zur Südersee, war in der Zwischenzeit bereits einem Landesherrn zur Opfer gefallen, dem Grafen von Holland. Zwei Jahre später nahm der holländische Graf eigenmächtig den zusätzlichen Titel ‘Herr von Friesland’ an, was wohl ein Programm für die Zukunft enthielt. Und tatsächlich fing er daraufhin an, auch das dann als westlichste übriggebliebene Seeland, das an der Südersee grenzende Westergo, zu bedrohen.
Und nicht ohne Erfolg, denn im Jahr 1310 gelang es ihm, das Westergo zu unterwerfen und von den Richtern und Gemeinden dieses Seelandes als Herr anerkannt zu werden.
Das Vorgehen ihres neuen Herrn, der sofort versuchte auch im Westergo feudale Verhältnisse zu kreieren, gefiel den Westergoern jedoch überhaupt nicht. Und so ergriffen die Richter und auch die Geistlichkeit vom Westergo die Initiative zu einer Wiederbelebung des Upstalsboombundes, und zwar zur Erlangung von Unterstützung gegen den Grafen seitens der noch freien Seelande. Dazu also sollte dem Upstalsboombund nach etwa 75 Jahren neues Leben eingehaucht werden.
Und also geschah es, und zwar am 18. September 1323. Dies fand also nicht statt an Pfingstdienstag – das war in jenem Jahr der 17. Mai. Wieso nicht? Nach dem Geschichtsschreiber Ubbo Emmius war der Grund dafür die Tatsache, dass sich die Vertreter der Seelande am Pfingstdienstag noch nicht hatten einigen können und dass sie sich deswegen vier Monate später, also im September, noch zu einem zweiten Mal am Upstalsboom versammelten.
Lenken wir unsere Aufmerksamkeit jetzt auf die damals, also September 1323, festgestellten sogenannten Willküren des Upstalsbooms, insgesamt 36 Artikel, oder nach einer kürzeren Fassung 24. Apropos, diese Willküren wurden später als Gesetze bezeichnet, aber im Grunde genommen ist diese Bezeichnung doch weniger richtig. Und weiterhin sei noch bemerkt, dass das Konzept der Willküren, wie aus dem Wortlaut von mehreren Artikeln hervorgeht, eindeutig westerlauwersfriesisch geprägt ist. Diese Tatsache belegt, dass es die Westergoer sind, die für die Wiederbelebung des Upstalsboombundes verantwortlich gemacht werden können.
Was sofort auffällt ist der zweite Artikel. Dieser besagt klipp und klar, dass sich die Seelande zur gegenseitigen Hilfe gegen jeglichen Landesherrn, der einem der Seelande Schaden zufügen sollte, verpflichteten, und zwar mit der Verdeutlichung: sei es ein Graf oder ein Bischof. Dann sollten sämtliche Seelande diesen Landesherrn gemeinsam abwehren und die Freiheit schützen, mit Rat und mit Tat, mit Leib und mit Gut. Es handelt sich hier eindeutig um eine Umarbeitung der zweiten der alten Überküren, und zwar in einer mehr zeitgemäßen Form. Von südlichen Rittern und nordlichen Wikingern, wie in der zweiten Überküre, ist hier nicht mehr die Rede, nein, die Feinde von draußen sind die Landesherren und das wird nicht mit poetischen Bezeichnungen, sondern mit einer klaren Aussage zum Ausdruck gebracht.
Auch an der dritten Überküre, in der sich die Seelande dazu verbanden, Recht und Ordnung zu bewahren in einem Seeland, wo Anarchie drohte, wurde festgehalten, aber in einer etwas abgeschwächten Form. Im neuen Artikel wird ausgesprochen, dass man in den Seelanden ewig Frieden halten würde und dass, falls es doch zu einem öffentlichen Kampf oder zu einem Streit käme, die Upstalsboomrichter dann dazu verpflichtet sind, den Streitfall zu sühnen oder darüber zu richten.
Interessant für uns ist noch der 24. Artikel. Der besagt, dass jeder Upstalsboomrichter zu Ostern nach dem Upstalsboom kommen sollte, also bereits sieben Wochen vor Pfingstdienstag, und dass sich dann diese Richter zur Handhabung des Friedens einsetzen sollten. Ich ziehe daraus den Schluss, dass darauf am Pfingstdienstag, nachdem auch die sonstigen Teilnehmer am Upstalsboom angekommen waren, die neuen Rechte besprochen und meistens auch angenommen wurden.
Auf die Tätigkeit des wiederbelebten Upstalsboombundes nach 1323 gehe ich hier nicht ein. Ich stelle nur fest, dass auch der erneute Bund jammervoll gescheitert ist. Und zwar bereits nach vier oder fünf Jahren. Für die sonstigen Seelande, so stellte sich bald heraus, war der Angst vor dem Grafen von Holland so groß, dass sie sich aus dem Bund zurückzogen. Ein trauriges Ende! Allerdings wagten es die Friesen vom Westergo, einige Jahre später dem neuen Grafen von Holland die Huldigung zu verweigern, und – was noch mehr sagt – als darauf dieser Graf im Jahre 1345 mit einem stattlichen Ritterheer in das Westergo einfiel, da besiegten sie ihn in einer großen Schlacht, und das ohne Hilfe seitens der Ostfriesen!
Ist die kurze Wiederbelebung des Upstalsboombundes vor genau 700 Jahren für uns jetzt noch wichtig? Im Grunde genommen zeigt sie nur, dass die Friesen nicht imstande waren, eine gewisse Form von Zusammengehörigkeit zu bewahren und weiter auszubauen. Jedoch, für wichtiger halte ich, dass sich im Upstalsboombund, im älteren sowie im wiederbelebten, das mittelalterliche Friesland manifestierte als ein ‘land of the free’. Darauf können die Friesen des Jahres 2023 stolz sein. Wie primitiv und fehlerhaft diese mittelalterliche Freiheit in der Praxis auch war.
Den Freiheitsbegriff verbinde ich für unsere Zeit vor allem mit demokratischer Gesinnung. Heute sei demokratische Gesinnung die erste und wichtigste ‘Überküre’ der Friesen; demokratische Gesinnung, nicht nur als etwas spezifisch Friesisches, sondern als etwas Universales.
Tige tank, weest bedankt.
Treffen der Freien Friesen am Pfingstdienstag 2022
Treffen der Freien Friesen am Pfingstdienstag 2021
Treffen der Freien Friesen am Pfingstdienstag 2020 - diesmal auf Abstand
Butjadinger und Stadlander Friesen gedenken der Friesischen Freiheit
Vor 500 Jahren verloren die Friesen aus Stadland und Butjadingen im Kampf gegen ein Söldnerheer von verbündeten Grafen ihre Freiheit. In Hartwarden (Gemeinde Rodenkrichen, Landkreis Wesermarsch) findet zu diesem Jahrestag am Sonntag, den 19. Januar eine Gedenkveranstaltung statt, die an die Freiheitsschlacht der Butjadinger und Stadlander Friesen im Januar 1514 erinnert. Der Rüstringer Heimatbund will damit die Erinnerung an die Friesische Freiheit und das Gedenken an den Freiheitskampf der Friesen wachhalten. Treffpunkt ist um 10 Uhr am Friesenheim Rodenkirchen–Hartwarden, anschließend findet am Friesen-Denkmal in Hartwarden eine Kranzniederlegung statt.
Butjadingen und Stadland weckten zu Beginn des 16. Jahrhunderts als noch verbliebene Teile des zerrissenen Friesengaus Rüstringen die Begierde fremder Obrigkeiten und fielen ihr schließlich zum Opfer. Nachdem frühere Versuche misslungen waren, die hier lebenden Friesen dauerhaft zu unterwerfen, fand an der Hartwarder Landwehr bei Rodenkirchen am 21. Januar 1514 die entscheidende Schlacht gegen ein mächtiges Heer damals verbündeter Grafen statt.
Die erbittert Widerstand leistenden Bewohner der Landstelle Stadland und Butjadingen verloren diesen entscheidenden Kampf zwar, setzten der Friesischen Freiheit mit ihrem Mut aber gleichsam ein Denkmal. Ubbo Emmius, der Verfasser der mehrbändigen „Friesische Geschichte“ schrieb darüber: „Denn durch gegenseitige Ermahnung und durch den Ansporn ihrer Vorgesetzten gestärkt, hatten sie beschlossen, für die Freiheit ihrer Heimat, für Weib und Kind, für ihre Treue und das Glück Edzards, dem sie sich verpflichtet hatten, für den Ruhm ihrer Vorfahren und ihre eigene Ehre den Kampf bis zum Äußersten zu bestehen, ihr Blut zu vergießen und schließlich ein Beispiel dafür zu geben, wie viel die Verteidigung der Freiheit freien Menschen wert ist und wie sehr sie tapfere Männer in Gefahren antreibt.“
Ansprache des Vorstandsmitglieds Paul Kluge anlässlich des Treffens der freien Friesen am Upstalsboom
Läiwe Landslüe ut Noord-, West-, Sater- un Oostfreesland, willkommene Gäste aus den deutschen und den Niederlanden,
in früheren Zeiten versammelten sich am Dienstag nach Pfingsten hier am Upstalsboom Vertreter der freien Seelande, um ihre Angelegenheiten zu richten. „Redjeven“ hießen sie, Ratgeber, die auf Zeit gewählt waren. Nicht um Urteile ging es – die wurden gelegentlich auch gefällt – sondern um Ordnung, um Frieden. War etwas in Unordnung geraten in den wechselseitigen Beziehungen der freien Seelande, gab es gravierende Schwierigkeiten zwischen einzelnen Landesgemeinden, gab es Bedrohung von außen: Hier war der Ort, in gemeinsamer Beratung Lösungen zu finden, gestörten Rechtsfrieden wieder herzustellen, Gefahren durch die See oder durch Feinde gemeinsam abzuwehren. Dies geschah generell nach einem Prinzip, das heute Subsidiarität genannt wird, und dessen Erfindung sich andere gern auf ihre Fahnen schreiben.
Grundlage der Beratungen war die Rechtsordnung der Friesischen Freiheit, zu Beginn des 9. Jahrhunderts verliehen. Sie gewährte den Friesen ein Maß an Unabhängigkeit und Selbständigkeit, an Eigenverantwortung auch, das es im übrigen Europa nicht gab. In 17 Küren, Gesetzen, war festgehalten, was für alle freien Seelande galt. Sie wurden durch 24 Landrechte ergänzt. Dieses Recht galt für alle gleich, für Reiche wie für Arme, für Einheimische wie für Zugezogene. Es galt auch für ausländische Flüchtlinge, und Leibeigene gab es nicht.
Um 1240 charakterisiert der englische Franziskanermönch Bartholomäus Anglicus die Friesen mit folgenden Worten: „Der Stamm ist nach außen frei, keinem anderen Herrn unterworfen. Für die Freiheit gehen sie in den Tod und wählen lieber den Tod, als dass sie sich mit dem Joch der Knechtschaft belasten ließen. Daher haben sie die militärischen Würden abgeschafft und dulden nicht, dass einige unter ihnen sich mit einem militärischen Rang hervorheben. Sie unterstehen jedoch Richtern, die sie jährlich aus der Mitte wählen, die das Staatswesen unter ihnen ordnen und regeln …“.
Dieses Recht galt bis 1498, als der Kaiser Maximilian I Ostfriesland für 300.000 Gulden an Herzog Albrecht von Sachsen abtrat. Man mag bei der Summe an die 30 Silberlinge des Judas denken.
Damit aber war der Grundgedanke der Friesischen Freiheit nicht aus der Welt: Bereits 20 Jahre später lebte er, wenn auch in anderer Form, wieder auf. Als nämlich die reformatorischen Gedanken Luthers und mehr noch Zwinglis das Land erreichten. Zwinglis Schüler Johannes Apportanus, Prediger an der Großen Kirche zu Emden, verbreitete sie nach dem Oldersumer Religionsgespräch von 1526 per Flugblatt.
So wurde Emden zur Mitte des 16. Jahrhunderts ein wichtiger Ort der Reformation. Die Stadt zählte damals zu den größten im Deutschen Reich und hatte den größten Seehafen Europas. Die politische Situation in Ostfriesland und das internationale Gepräge dieser Stadt waren Nährboden für eine große Vielfalt reformatorischer Ansätze. Die Friesische Freiheit hatte die Menschen unabhängiges, eigenständiges Denken gelehrt.
Emden wurde Zufluchtsort religiös Verfolgter und bot einer intellektuellen Elite Asyl. Sie nahmen von hier aus Einfluss auf die Entwicklung der Reformation in anderen europäischen Ländern. Andernorts verbotene Literatur wurde in Emden gedruckt und von dort aus verbreitet. Die Stadt und ihre Kirche wurden zur »Moederkerk« der niederländischen Reformation. Am Ende verwandelte die Reformation Calvinscher Prägung Emden in einen fast autonomen Stadtstaat; die Friesische Freiheit lebte weiter.
Seit kurzem ist Emden die erste Reformationsstadt Europas, und diese Auszeichnung gilt nicht nur den Ost-, sondern genauso den Nord-, West-- und Saterfriesen. Denn in den damals entstandenen Kirchenordnungen – wir würden heute von Gemeindeordnungen sprechen - und bis heute in den Verfassungen reformierter und presbyterianischer Gemeinden und Kirchen finden sich die Grundgedanken der Friesischen Freiheit wieder: Eigenverantwortliche Selbstverwaltung, Subsidiarität und Solidarität, Gleichheit aller.
Das sind menschenwürdige Werte, die vielen vorenthalten werden. Wo sie heute gelten, sind sie jünger als die Friesische Freiheit. An sie zu erinnern, ist nicht Nostalgie, ist keine Verherrlichung vergangener Zeiten. An die Friesische Freiheit zu erinnern, ist Verpflichtung. Wo, zum Beispiel, haben Flüchtlinge gleiche Chancen und gleiche Rechte wie Einheimische!
Rangordnungen und Verordnungen regeln heute das Zusammenleben und machen es nicht unbedingt einfacher. Vielmehr versuchen sie, Eigeninitiative und Eigenverantwortung zu beschneiden. Die Friesische Freiheit bietet Werte, bietet Kriterien, gesellschaftlich gewollte und politisch gesteuerte Entwicklungen zu überprüfen und, wo nötig, gegenzuhalten.
Die Friesische Freiheit hat 700 Jahre offiziell gegolten. Sie hat bei den Menschen eine Mentalität ausgeprägt, die sich bis heute immer wieder zeigt. Vielleicht nicht deutlich genug. Doch die Ideale Friesischer Freiheit sind zu kostbar für ein Nischendasein. Sie gehören gelebt, und es gibt viele Gelegenheiten dazu. Und sie gehören präsentiert. Nicht nur hier am Upstalsboom, der in Bälde entsprechend umgestaltet wird. Die Werte und Ideale der Friesischen Freiheit gehören präsentiert durch die eigene Lebensgestaltung in Gesellschaft und Politik. Dann bleiben sie lebendig und werden auch für andere attraktiv.
Läiwe Landslüü, willkommene Gäste, wenn wir uns heute an diesem Platz die Friesische Freiheit vergegenwärtigen, dann um auch weiterhin in Freiheit und Gleichheit geschwisterlich zu leben. In diesem Sinne: Eala freya Fresena! Danke.
Der Upstalsboom - „ein mythischer Ort für die Friesen“
Dr. Paul Weßels referierte beim Friesischen Forum in Leer
Zu einem Vortrag über den Upstalsboom hatte das Friesische Forum jetzt nach Leer eingeladen. Dr. Paul Weßels, Leiter der Bibliothek der Ostfriesischen Landschaft, stellte seinen Vortrag unter den Titel "Der Upstalsboom - Geschichte und Rezeption seit dem hohen Mittelalter".
Im Mittelalter trafen sich die Vertreter der sieben Seelande, der freien friesischen Landgemeinden, einmal jährlich am Dienstag nach Pfingsten am Upstalsboom bei Aurich, um für Rechtsfrieden zu sorgen und gemeinsame Belange zu beraten. Dr. Weßels referierte über die Grründe, warum die Wahl auf den Upstalsboom als Versammlungsort fiel. Neben der relativ zentralen Lage im damaligen Friesland sei auch die erhöhte Lage am Geestrand ein Grund für diese Wahl gewesen.
Die damalige friesische Freiheit sei zwar weit entfernt gewesen von der heutigen Demokratie, aber die Friesen hätten ihre autonomen Landgemeinden und ihre persönlichen Freiheitsrechte gehabt. Das sei ein entscheidender Unterschied zu den feudalen Abhängigkeits- und Hörigkeitsverhältnissen gewesen, die im übrigen Europa zu der damaligen Zeit geherrscht hätten. Im Laufe der Zeit habe der Upstalsboom für die Friesen eine mythische Bedeutung erlangt – die auch das Ende der mittelalterlichen Epoche der friesischen Freiheit überdauert habe. Der große Gelehrte Ubbo Emmius bezeichnete ihn als „Altar der Friesischen Freiheit“. Auch das Wappen der Ostfriesischen Landschaft zeige einen stilisierten Upstalsboom.
Der Vortrag von Weßels fand großen Beifall bei den dreißig Zuhörern und sorgte noch für etliche Nachfragen und Diskussionsbeiträge. Arno Ulrichs als Vorsitzender des Friesischen Forums dankte Dr. Weßels und lud abschließend zum traditionellen Treffen am Abend des Pfingsdienstags beim Upstalsboom ein. Das Friesische Forum organisiert diese Treffen alljährlich im Gedenken an die Zusammenkünfte der Friesen im Mittelalter. In diesem Jahr ist das Thema des Treffens „Europa und die Friesen“.
► Bei der anschießenden Jahreshauptversammlung des Friesischen Forums wurde der bisherige Vorstand im Amt bestätigt. Neben dem Vorsitzenden Arno Ulrichs (Simonswolde) gehören ihm Paul Kluge (Leer) und Torsten Bruns (Moormerland) an.
Aufwertung des Upstalsbooms ein „überfälliger Schritt“
Friesisches Forum begrüßt die Pläne der Ostfriesischen Landschaft und der Stadt Aurich
Das Friesische Forum begrüßt die Pläne der Ostfriesischen Landschaft und der Stadt Aurich, den Upstalsboom aufzuwerten. „Dieser Schritt ist überfällig und erhält unsere volle Unterstützung“, sagte das Vorstandsmitglied des Friesischen Forums, Torsten Bruns aus Moormerland. Immer wieder hätten insbesondere auch auswärtige Besucher bemängelt, dass die gegenwärtige Situation beim Upstalsboom der Bedeutung dieser kulturgeschichtlichen Stätte nicht gerecht werde.
Im Mittelalter trafen sich am Upstalsboom die Vertreter der sieben Seelande, der freien friesischen Landgemeinden, einmal jährlich am Dienstag nach Pfingsten, um für Rechtsfrieden zu sorgen und gemeinsame Belange zu beraten. Der Upstalsboom gelte seitdem nicht nur Ubbo Emmius als „Altar der Friesischen Freiheit“.
Über Einzelheiten der Planungen müsse man sicherlich noch reden. Dafür böten die vorgesehenen Beratungen noch ausreichend Raum. Unstrittig sei aber der Bedarf an mehr Informationsmöglichkeiten am Upstalsboom, damit für die Besucher die hohe Bedeutung der Stätte erkennbar werde.
Das Friesische Forum will die Planungen unterstützen und hofft auf eine zügige Umsetzung des Vorhabens. Der Upstalsboom sei Herzensangelegenheit aller Friesen – „sicherlich gibt es auch Möglichkeiten der Mitfinanzierung aus der Bevölkerung“, so Arno Ulrichs (Simonswolde); Vorsitzender des Friesischen Forums.
Friesen freuen sich über den Titel „Kulturhauptstadt“
Friesisches Forum: Nominierung Leeuwardens Chance für alle Friesen
Leeuwarden wird „Europäische Kulturhauptstadt 2018“ – die Hauptstadt der niederländischen Provinz Fryslân setzte sich am Freitag gegen die Favoriten Maastricht und Eindhoven durch. Die von der niederländischen Kulturministerin Jet Bussemaker verkündete Entscheidung wurde vom Jubel tausender Friesen in Leeuwarden begleitet.
Jedes Jahr dürfen nach einem festgelegten Turnus zwei europäische Länder eine Kulturhauptstadt festlegen, 2018 wird neben Leeuwarden auch die maltesische Hauptstadt La Valetta den Titel tragen. Die Entscheidung muss offiziell noch von den Kulturministern der EU bestätigt werden.
Das in Ostfriesland beheimatete Friesische Forum freut sich über die Auszeichnung Leeuwardens: „Mit dieser Entscheidung bieten sich große Chancen. Bis 2018 und darüber hinaus wird sich die friesische Hauptstadt Leeuwarden einer besonderen Aufmerksamkeit in Europa sicher sein können. Wir gratulieren Leeuwarden und insbesondere der friesischen Kulturminsterin Jannewietske de Vries, die sich gegen alle Zweifel durchgesetzt hat“ sagte der Vorsitzende des Friesischen Forums, Arno Ulrichs aus Simonswolde. Ministerin de Vries hatte in 2011 bei der traditionellen Kundgebung zu Pfingsten am Upstalsboom in Aurich-Rahe für die Unterstützung auch der Ostfriesen für die Nominierung Leeuwardens geworben.
Das Friesische Forum will die Auszeichnung Leeuwardens nutzen, um die Chancen zu nutzen, die sich aus der größeren Aufmerksamkeit für die friesische Kultur ergeben. „Das sollte eine Herzensangelegenheit für alle bewußten Friesen und die friesischen Kultureinrichtungen sein“, so Ulrichs
Förderung der friesischen Sprache in Ost-Friesland
Vorbemerkung: Das Friesische Forum hat auf Vorschlag des Sprachwissenschaftlers Prof. D. Marron C. Fort im Jahre 2003 und 2004 erstmals Friesisch-Sprachkurse für Ostfriesen angeboten. Kooperationspartner war dabei der Seelter Buund, die Vereinigung der Saterfriesen und die Volkshochschulen in Leer und Emden. Diese Kurse fanden regen Zuspruch, so dass in diesem Jahr weitere Kurse geplant sind. Es zeichnet sich ab, dass weiterhin – wenngleich nur in einem besonders augeschlossenen Bevölkerungsteil – lebhaftes Interesse am Kennen- und Erlernen der friesischen Sprache besteht. Da dieses Interesse kaum mehr mit ehrenamtlichen Engagement allein bedient werden kann, ersuchen wir um Unterstützung für folgende Maßnahmen, die im Nachgang zum Gespräch mit Frau Gitta Connemann MdB am 22. Juni 2005 zusammengestellt wurden.
1. Ausbau des Sprachkurs-Angebotes in der Fläche (insbesondere Aurich, Norden und Wittmund) sowie auf den verschiedenen Ebenen (Anfänger, Fortgeschrittene, aktive Sprecher, ...)
2. Erarbeitung und Ausstrahlung einer Radio-Sprachlernsendung (mit mehreren Folgen) in Kooperation mit der Ems-Vechte-Welle und Radio Ostfriesland.
3. Adaption dieser Sprachlernsendung für digitale Medien wie CD und Internet
4. Zusammenstellung und Realisierung eines Musik-Samplers (auf CD) mit friesischer Musik (bspw. mit den Gruppen Rapalje, Laway, Hummelspieler Wilfried Ulrich)
5. Zusammenstellung und Herausgabe eines Buches mit dem Arbeitstitel „Friesische Spuren in Ostfriesland“, das die ostfriesische Kultur insbesondere hinsichtlich der Gemeinsamkeiten mit der kulturellen Tradition der beiden anderen Frieslande darstellt.
6. Jährliche Veranstaltungsreihe (Titelvorschlag „Friesischer Frühling“ in Entsprechung zum „Musikalischen Sommer“) mit Lesungen von Märchen, Romanen und Dichtungen in friesischer Sprache
7. Bessere Beschilderung (Hinweisschilder) für wichtige Stätten der friesischen Kultur (bspw. Upstalsboom, Radbodsberg, Klosterstätten Ihlow und Marienthal/Norden) und Realisierung zweisprachiger Ortstafeln vor allem in den Orten, wo im Ortsnamen die friesische Herkunft erkennbar ist.
8. Stärkere Ausprägung des heimatkundlichen Anteils am Schulunterricht; Unterstützung der Schulen beim Angebot von Plattdeutsch- und Friesisch-Sprachkursen in AG-Form
Diese Vorschläge stellen nur eine erste Arbeitsskizze dar; weitere Vorschläge, Anregungen und Kritik sind ausdrücklich erwünscht.